Verlagerung vom öffentlichen Verkehr hin zum Auto

03. Jun 2020

Shutdown, Homeoffice und Lastwagen: Wie hat sich die Corona-Krise bisher auf die Strasse ausgewirkt? Der Direktor des Bundesamtes für Strassen, Jürg Röthlisberger, nimmt Stellung. Er wird am 16. September als Redner an der AUTOMATICAR teilnehmen.

Jürg Röthlisberger
Jürg Röthlisberger

Interview: D. Nodari | Foto: E. Freudiger | Erschienen: Touring-Magazin, Ausgabe Juni 2020, S. 23  (>zur aktuellen Ausgabe)

Die Autobahnen waren in den letzten Wochen frei wie schon lange nicht mehr. Wie spürbar war die Corona-Krise für die Strasse?

Jürg Röthlisberger: Auf den Autobahnen waren die Auswirkungen des Shutdowns deutlich zu sehen: Er brachte an vielen Orten eine Verkehrsreduktion zwischen 50 und 70 Prozent; am Gotthard hatten wir bis zu 90 Prozent weniger Verkehr. Aber in den Agglomerationen bemerkten wir auch eine Verlagerung vom ÖV hin zum Auto. Zudem gewann der Langsamverkehr an Bedeutung, da viele Leute aufs Velo stiegen, statt mit Tram oder Bus zur Arbeit zu fahren.

Der ÖV braucht wohl viel Geld für die Bewältigung der Krise. Wie sieht das bei der Strasse aus?

Der motorisierte Individualverkehr deckt seine Kosten zu einem substanziell höheren Grad selber als der öffentliche Verkehr. Hinzu kommen die stark unterschiedlichen Kostenstrukturen von Strasse und Schiene. Deshalb verlangt der Strassenverkehr nicht nach Stützungsmassnahmen. Hingegen sinken durch die Abnahme der gefahrenen  Fahrzeugkilometer und dem Rückgang der Autoverkäufe die Einnahmen des Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF). Entsprechend wird der Bestand des Fonds abnehmen.

Täuscht der Eindruck, dass in der letzten Zeit mehr Lastwagen unterwegs waren?

Auch der Lastwagenverkehr auf den Autobahnen ging zurück, aber im Verhältnis zum übrigen Verkehr weniger stark. Lastwagen waren und sind gerade auch in der Corona-Krise wichtig für die Versorgung mit Lebensmitteln und Gütern wie Medizinalprodukte. Deshalb haben wir für diese Lastwagen auch die Einschränkungen wie zum Beispiel das Sonntags- und das Nachtfahrverbot vorübergehend gelockert. Krisen bieten auch Chancen.

Welche Strassenprojekte sollten nun vorangetrieben werden?

Unser Ziel ist, dass wir die vom Parlament gesprochenen Investitionen in die Strasseninfrastrukturen auf dem bisherigen, hohen Niveau weiterführen können. Das entspricht auch den Erwartungshaltungen von Bundesrat, Parlament, Industrie und Kundschaft. Entsprechend haben wir unsere Baustellen und Projekte während des Shutdowns weitergeführt – mit Ausnahme der Baustellen im Tessin.

Homeoffice scheint sich durchgesetzt zu haben, was bedeutet das für das Verkehrsmanagement?
Homeoffice ist ein Instrument zum Brechen von Verkehrsspitzen. Es hat durch die Corona-Krise einen Akzeptanzschub erhalten, und es wird sich zeigen müssen, wie nachhaltig dieser ist. Wir verfolgen in jedem Fall weiterhin zwei Strategien: das bessere Nutzen vorhandener Kapazitäten und die punktuelle Kapazitätserweiterung gemäss dem Strategischen Entwicklungsprogramm (STEP) Nationalstrasse.

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