"Swiss Association for Autonomous Mobility" ist Konferenzpartner der Automaticar.

18. Aug 2022

Der Verband "SAAM - Swiss Association for Autonomous Mobility" ist in diesem Jahr erneut unser Programmpartner für die Automaticar. Wir haben Martin Neubauer, dem geschäftsführenden Präsidenten, ein paar Fragen zum aktuellen Stand und zu den Zukunftsperspektiven der automatisierten Mobilität gestellt. Lesen Sie hier den ganzen Beitrag.

Martin Neubauer, geschäftsführender Direktor von SAAM
Martin Neubauer, geschäftsführender Direktor von SAAM

1. Was ist die "Swiss Association for Autonomous Mobility" (SAAM)?
Um automatisierte Fahrzeuge nachhaltig auf den Schweizer Strassen zu integrieren, müssen grosse technische, regulatorische und soziale Herausforderungen gemeistert werden. Einzelne Mobilitätsunternehmen haben bereits erfolgreich Projekte durchgeführt, diese haben der automatisierten Mobilität in der Schweiz aber noch nicht zum erhofften Durchbruch verholfen. Es macht daher Sinn die Kräfte zu bündeln. SAAM tut genau dies: Der Verein ist ein Zusammenschluss aller bedeutenden Schweizer Akteure im Bereich der automatisierten Mobilität, darunter ÖV-, Automobil-, und Technologieunternehmen und Vereine, und diverse Hochschulen. Mit SAAM als Plattform, können wir Projekte koordinieren, den Know-How-Transfer sicherstellen und uns auch für sinnvolle und zielführende Regulationen einsetzen. Wir sehen uns als wichtigstes Schweizer Kompetenzzentrum zu diesem Thema und wollen so sicherstellen, dass die Schweiz ein Pionierland für effiziente und autonome Mobilität bleibt.

2. Was hat sich im letzten Jahr im Themenbereich automatisierte Mobilität getan? Welche Fortschritte wurden erzielt?

Auf technologischer Ebene wurden enorme Fortschritte gemacht, um einen sicheren Betrieb automatisierter Systeme zu gewährleisten. So sind in gewissen Ländern bereits erste Robotaxi-Dienste im Einsatz. Zudem werden in Nordamerika Pilotprojekte mit vollautonomen LKWs auf Autobahnen durchgeführt. Sie fahren von einem Knotenpunkt, der direkt mit der Autobahn verbunden ist, zu einem anderen. Der Lkw-Verkehr ist wahrscheinlich einer der frühesten Anwendungsfälle für autonomes Fahren im kommerziellen Segment. Anwendungsfälle für geschlossene Umgebungen, wie z. B. Hafen-/Versandfahrzeuge werden wahrscheinlich ebenfalls früh eingeführt. In Nordamerika ist mit einer Kommerzialisierung ab 2026 zu rechnen.

Die grösste Herausforderung ist auf regulatorischer Ebene: Gesetze und Verordnungen müssen dahingehend angepasst werden, dass nicht für jedes Projekt eine Ausnahmegenehmigung notwendig ist. Daher haben einige Länder jüngst Vorschriften zum autonomen Fahren eingeführt, allen voran Deutschland: Das Fahren auf Level 4 ist in der Vorbereitung beim Gesetzgeber. Die im Mai 2022 vom deutschen Bundesrat verabschiedete Verordnung zum autonomen Fahren regelt, in welchen Betriebsbereichen Level-4-Kraftfahrzeuge zugelassen werden dürfen, und welche technischen Anforderungen an den Bau, die Beschaffenheit und die Ausrüstung zu stellen sind. In den USA ist man sogar noch einen Schritt weiter: Die National Highway Traffic Safety Administration (NHSA) hat eine Verordnung verabschiedet, die es Unternehmen ermöglicht, Fahrzeuge ohne manuelle Steuerung zu verkaufen bzw. als Dienstleistung anzubieten.
Auf EU-Ebene hat die Europäische Kommission eine Verordnung über die allgemeine Sicherheit von Fahrzeugen als Basis für technische Vorschriften zur Zulassung fahrerloser Fahrzeuge erlassen. Auf Grundlage dieser Verordnung soll die Kommission noch diesen Sommer die technischen Vorschriften für fahrerlose Fahrzeuge vorlegen und so den nötigen Rechtsrahmen für deren Genehmigung schaffen. Die Kommission hofft damit Europa in eine Vorreiterrolle beim fahrerlosen Fahren bringen zu können. Im kommenden Jahr würden außerdem, so heißt es weiter, die Vorschriften zur technischen Überwachung von Fahrzeugen überarbeitet.
Die Schweiz arbeitet derzeit an einer neuen, für automatisierte Fahrzeuge angepasste Verordnung, die voraussichtlich bis 2024 zur Anwendung kommen wird. Das ist ein enorm wichtiger Schritt, im Vergleich zu den vorgenannten Ländern sind wir aber immer noch im Rückstand.
Der Weg zur groß angelegten Kommerzialisierung bleibt somit herausfordernd, da für die nötigen technologischen und regulatorischen Fortschritte noch ungenügende finanzielle Mittel vorhanden sind.

3. Wo liegt der Schwerpunkt der Arbeit von SAAM im kommenden Jahr?

Der Verein setzt sich vor allem mit den Schwerpunktthemen Regulation, gesellschaftliche und ethische Aspekte und Technologie auseinander. Damit die verschiedenen Partner an Bord des Vereins ihre jeweiligen Stärken entfalten können, spielt die Vernetzung eine tragende Rolle.
SAAM fördert daher verstärkt den Austausch von Wissen und Erfahrungen im Bereich des autonomen Fahrens zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen, Hochschulen und den relevanten staatlichen Institutionen.
Im Bereich der Regulation leistet der Verein insbesondere dem ASTRA Unterstützung bei der Erarbeitung der neuen gesetzlichen Verordnung und dem neuen Rechtsrahmen zur Integration von autonomen Fahrzeugen im öffentlichen Verkehr. Der Verein agiert hier als Teil des Expertengremiums des ASTRA.
Ferner nimmt der Verein an verschiedenen Pilotprojekten teil: So wirkt der Verein beim europaweiten Forschungsprojekt «Ultimo» mit, dass den groß angelegten Einsatz von autonomen Shuttles stark beschleunigen will. Dies ist ein entscheidender Schritt, der den Übergang von der Erprobung zum Einsatz automatisierter Fahrzeuge in großem Maßstab markiert. Ausserdem unterstützt der Verein weitere Schweizer Projekte im Bereich der automatisierten Mobilität, wie ein Projekt in Schaffhausen mit dem Swiss Transit Lab, LOXO im Bereich Gütertransport und Konzepte für autonome Busdepots im ganzen Land.

4. Welche Entwicklungen erwarten uns längerfristig im Bereich automatisierte Mobilität?

Autonomes Fahren, Dekarbonisierung und "Mobility-as-a-Service" sind die drei Megatrends in der Automobil- und Mobilitätsindustrie, die in der aktuellen Mobilitätsdebatte zentral sind.

Beim Use Case des Rufautos, dass die höchste Automatisierungsstufe voraussetzt, wandeln sich die heutigen Automobilhersteller zum großen Teil zu Mobilitätsdienstleistern. Ihr Geschäftsmodell wird dann nicht mehr auf dem Verkauf von Fahrzeugen basieren, sondern auf der Bereitstellung eines öffentlichen Fuhrparks. So kann der Nutzer ein Auto zu einer gewünschten Destination per App rufen oder buchen (ähnlich Robotaxis bzw. dem Carsharing heute) und dabei Fahrzeugklasse und Beförderungsart (allein oder im Sammelfahrzeug) bestimmen. Die Fahrtkosten minimieren sich dadurch signifikant – bis hin zu kostenlosen Optionen dank Marketingmodellen.

Die erste Anwendung von Robotaxi-Diensten gibt es bereits in den USA, China und bald auch in Deutschland. In großem Maßstab werden Flotten von automatisierten Fahrzeugen wahrscheinlich in größeren Märkten - typischerweise in Stadtzentren - entstehen, die ein höheres Fahrtenaufkommen aufweisen. Die Einführung in großem Maßstab wird voraussichtlich im Jahr 2026 oder später erfolgen, wobei China und die Vereinigten Staaten den Markt anführen werden.

Im nächsten Schritt wird zunächst der Use Case des Valet Parking in einem mittels Geofencing („Gebietssperren“) definierten Gebiet zur Umsetzung kommen: Während der Fahrer beispielsweise zum Einkaufen in die Innenstadt fährt, übernimmt das Fahrzeug nach dem Aussteigen des Fahrers in einem sicheren, langsamen Fahrtmodus den Weg zu Parkplätzen außerhalb des Stadtkerns selbst und holt den Fahrer bei Bedarf auch jederzeit wieder ab. Auf gleicher Zeitebene steht die Automatisierung von LKWs auf Autobahnen an. Hier ist die Verkehrskomplexität gering und die Geschwindigkeit zudem beschränkt. Ähnlich geregelte Umgebungen gibt es mit den ausschließlich für autonome Minibusse ausgelegten Fahrspuren bereits in China, aber auch in Deutschland.

Damit all dies funktioniert, wird der Infrastrukturbereich verstärkt ausgebaut und «digitalisiert» im Sinne einer Kommunikation mit den Fahrzeugen. Mit dieser Technik können Autos hilfreiche Informationen über den Verkehrsfluss bzw. über Verkehrsbehinderungen erhalten.  Ebenfalls ist davon auszugehen, dass Versicherer eine immer wichtigere Rolle spielen werden, da sukzessive bestimmte Schäden deutlich reduziert werden können.

Mobilität – als Themenfeld rund um Auto und Fahrzeuge – ist einer der Lebensbereiche, der sich über die letzten Jahrzehnte augenfällig verändert hat. Automobilhersteller, aber auch Zulieferbetriebe, wandeln sich schon längst von reinen Herstellern zu Mobilitätsdienstleistern. So entsteht ein neues Ökosystem der Mobilität. Autonomes Fahren ermöglicht neue Angebote und Services und dadurch entstehen neue Aufgaben. Das eröffnet nicht nur Anbietern neuer Mobilitätskonzepte, sondern auch den Automobilherstellern alternative Wege.  Mit dem automatisierten Fahren kommt nun eine Technologie ins Spiel, die wahrlich disruptiv ist und den Markt auf den Kopf stellen wird. Die komplexe Maschinerie mit all ihren Protagonisten hat sich bereits in Bewegung gesetzt und entwickelt sich rasant weiter.

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